Seit dem Sturz des Diktators Gaddafi im Jahr 2011 ist Libyen nicht zur Ruhe gekommen. Nach anfänglichen Erfolgen den Staat neu zu errichten wurden dschihadistische Gruppen im Osten des Landes aktiver. 2014 begann General Haftar eine Militäroffensive gegen diese Gruppierungen, welche sich auf das ganze Land ausweiteten und dieses so erneut in einen Bürgerkrieg stürzte. 2015 endeten die Kämpfe in Westlibyen und es wurde dort eine Einheitsregierung gegründet, während Haftar im Osten des Landes weiter Krieg führte und diesen so unter seine Kontrolle bringen konnte. Trotz der Regierung im Westen herrschten unklare Machtverhältnisse zwischen den einzelnen Militanten Gruppen. Erst 2019 nach der Offensive Haftars auf Tripolis formierten sich die Westlibyschen Gruppen hinter der Einheitsregierung, um Widerstand zu leisten. Zunehmend nahmen ausländische Parteien Einfluss auf die Kriegshandlungen, darunter Russland, Türkei, Vereinigte Arabische Emirate und Ägypten, wodurch Haftars Angriff schließlich gestoppt und ein Waffenstillstand ausgehandelt werden konnte. Nun ist das Land gespalten und wird teilweise von der Einheitsregierung, General Haftar und einzelnen Milizen kontrolliert.
Das Land verfügt über keine staatlichen Strukturen und nur schwache Grenzen, die einfach überwunden werden können. So hat sich Libyen zum Haupttransitland der Migration nach Europa entwickelt und beherbergt Angaben des UNHCR nach ca. 50000 registrierte Geflüchtete aus anderen Ländern, sowie über 120000 Binnengeflüchtete, nicht zuletzt durch die Flutkatastrophe im September 2023.
Häufig ist Libyen die letzte Etappe einer Flucht nach Europa, bei der auf Schlepper*innen vertraut werden muss. Diese statten die Menschen mit Booten aus und schicken sie nachts los auf das Mittelmeer, um die Überfahrt zu wagen. Keineswegs tun sie dies kostenlos, im Gegenteil: Für die Überfahrt zahlen die Geflüchteten mehrere tausend Euro und werden häufig zuvor versklavt, um auf Plantagen zu arbeiten, bevor sie ihren Versuch wagen dürfen. Besonders Frauen leiden in diesem Land, da sie nicht selten in sogenannten „Connection Houses“ zur Prostitution gezwungen werden und Ihnen Folter oder Mord droht, wenn sie sich weigern. Außerdem gibt es Berichte von Geflüchteten, die gefoltert wurden, um von ihren Angehörigen Geld zu erpressen. Wer diese Bedingungen überlebt, begibt sich auf eine lebensgefährliche Überfahrt.
Die EU finanziert die libysche Küstenwache und trainiert diese, um Flüchtende von ihrem Vorhaben abzuhalten, unter dem Vorwand der Rettung. Wenn diese aufgegriffen werden, werden sie im besten Fall in ihr Heimatland abgeschoben. Nicht selten werden sie jedoch auch in Gefangenen-Lagern in Libyen eingesperrt, wenn eine Rückführung nicht möglich ist. Unter menschenunwürdigen Zuständen hausen sie dort mit mehreren 100 Menschen im selben Raum, teilweise ohne Frischluftzufuhr, mit mangelhaften sanitären Einrichtungen und mangelnder Versorgung.
Die Dokumentation „Raus aus der Hölle“ vom ZDF aus dem Jahr 2020 gibt einen guten Eindruck der Situation der Flüchtenden vor Ort in Libyen.
https://www.deutschlandfunk.de/fluechtlingslager-in-libyen-man-behandelt-uns-hier-wie-tiere-100.html